Wie viel Tourismus verträgt Kultur?

Gianluca Pardini | Geschäftsleitung IG Kultur Luzern

Wie lässt sich das Standortmarketing nachhaltig mit dem kulturellen Angebot vereinen? Eine Einordnung in die aktuelle Diskussion um die neu gegründete «IG Musikstadt Luzern».

Die hiesige Tourismusbrache ist in den letzten Jahren nicht nur wegen der Pandemie unter Druck geraten. Themen wie Airbnb, Overtourism sowie ökologische und soziale Nachhaltigkeit haben die Debatte geprägt. Das kulturelle Angebot der jeweiligen Destinationen wird dabei immer wieder als möglicher Weg hin zu einem «nachhaltigen» Tourismus erwähnt.

Kultur- statt Massentourismus

Kultur sehen und erleben – das dĂĽrfte nach wie vor einer der wichtigsten ReisegrĂĽnde sein. So kann der Ausflug zu einem kulturellen Erbe beispielsweise mit einem Museums- oder Theaterbesuch verbunden werden. Im Gegensatz zum Massentourismus wird Kulturtourismus heute als zukunftsfähig angesehen. 

Denn Kulturtourismus bringt nicht nur wirtschaftliche Vorteile mit sich, zum Beispiel durch eine Steigerung der Logiernächte pro Kopf, sondern ist auch in ökologischer und sozialer Hinsicht erstrebenswert. Kulturtourist:innen verfügen in der Regel über eine grössere Sensibilität für Umwelt- und Naturschutz, faire Arbeitsbedingungen oder die Wertschätzung von Kulturstätten. Doch wie erfolgt eine solche Ausrichtung? Im Fachjargon ist von «Destinationsmanagement» die Rede. Auch die lokale Tourismuspolitik wagt nun neue Versuche, Kultur zugunsten des eigenen Standortmarketings stärker in den Fokus zu rücken.

Bereits in der «Kulturagenda 2020» der Stadt Luzern wurde die Beziehung zwischen Kultur und Tourismus als strategischer Schwerpunkt festgelegt. Events und Festivals wurden definiert, die in Abstimmung mit dem Kanton Luzern und verschiedenen touristischen Akteur:innen gefördert werden sollten. Folglich entstanden die «Top Events», zu denen das Fumetto, das Lucerne Festival oder auch die Lucerne Regatta gehören und die nach wie vor als städtische Highlights vermarktet werden.

Vermarktung kultureller Angebote

Eine neue Vision, die der Kritik aus der Bevölkerung gegenĂĽber dem Massentourismus Rechnung tragen sollte, erarbeitete die Stadt Luzern erst vor einem Jahr. Diverse Vorschläge wurden diskutiert, um innovativere und nachhaltigere Angebote zu schaffen. In dieser Strategie nimmt die Kultur als fĂĽr den Tourismus wichtige Branche eine zentrale Rolle ein. So wird in der Vision das vielfältige und hochwertige kulturelle Angebot als Stärke von Luzern, ja sogar als Chance fĂĽr ein neues Alleinstellungsmerkmal beziehungsweise als Unique Selling Point betrachtet.

Folglich sollen nun Massnahmen ausgearbeitet werden, welche die Erarbeitung und Vermarktung kultureller Veranstaltungen verbinden. Für die Finanzierung dieses Angebots sprechen die Verantwortlichen in Behörden und Politik aktuell von einer möglichen Weiterentwicklung der Tourismusabgaben, was neue Türen öffnen würde. Vor diesem Hintergrund kann auch die neu gegründete «IG Musikstadt Luzern» als konkreter Versuch gewertet werden, das kulturtouristische Potenzial des Luzerner Sinfonieorchesters, des Lucerne Festival und des KKL zusammen mit Luzern Tourismus international zu vermarkten. Auch wenn die einseitige Initiative scharfe Kritik auslöst oder gar der pendenten Positionierung der Luzerner Kulturstadt vorgreift, gilt es diese nun als Antrieb für einen produktiven Dialog über die künftige Ausrichtung der kulturellen Identität Luzerns zu nutzen.

Kein Mittel zum Zweck

Einerseits sollten der «Vermarktung» von Kultur bewusst Grenzen gesetzt werden; denn Kultur sollte nicht zum Unique Selling Point der hiesigen Tourismusbranche verkommen. Andererseits wird eine gesamtheitliche und spartenübergreifende Strategie für die künftige Positionierung des Luzerner Kulturwerkplatzes unumgänglich. Dies fördert nicht nur ein ganzheitliches Kulturverständnis in der Stadt Luzern, sondern erhöht auch die Sichtbarkeit des reichen kulturellen Angebots. Und das sollte im Interesse aller sein.