Honorarempfehlungen für Kulturschaffende: quo vadis?
Gleich zwei aktuelle Studien beschäftigen sich mit der Frage nach der Praxis von Honorarempfehlungen und mit der Einkommenssituation von Kulturschaffenden. Wie lautet ihre Botschaft an Kulturschaffende und Kulturförderstellen? Wir wagen eine Zusammenfassung.
Die Einkommenssituation und die mangelnde soziale Absicherung von Kulturschaffenden ist ein negativer Dauerbrenner, daran ist leider nichts neu. Hinzu kommt, dass es schweizweit nur wenige oder ungenügende Grundlagen gibt, welche die Situation von Kunst- und Kulturschaffenden ausreichend beschreiben. Auch ist die Datengrundlage defizitär. Zwei Studien ändern diesen Umstand nun zumindest ansatzweise.
Studien mit Stosskraft?
In der Ende Februar 2022 erschienenen Studie zuhanden des nationalen Kulturdialogs wurde die Praxis der öffentlichen Kulturförderung bei der Umsetzung von Honorarempfehlungen untersucht (Interface 2022). Zum anderen wurden im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektor:innen und der kantonalen Kulturbeauftragten Ost die Einkommenssituation und deren Entwicklung unter die Lupe genommen und in einem Abschlussbericht veröffentlicht (Ecoplan 2023). Aus beiden Studien werden Handlungsempfehlungen für die öffentliche Hand, die privaten Kulturfördernden und die Kulturverbände abgeleitet. Damit dürfte das Thema nun unweigerlich in die öffentliche Debatte rücken. Nur sind viele der gewonnenen Erkenntnisse nicht neu.
Prekäre Situation und ein Topf von Ursachen
Ein grosser Teil von Kulturschaffenden ist selbstständig erwerbstätig, arbeitet Teilzeit, befristet oder in Mehrfachanstellungen. Diese Beschäftigungssituationen sind als Ursache für die prekären Einkommenssituationen und die schlechte soziale Absicherung abermals erwähnt worden. Denn diese Erkenntnisse wurden bereits in der Vergangenheit in zahlreichen Arbeiten zur sozialen Absicherung im Alter und zur beruflichen Vorsorge (Altersvorsorge) von Kunst- und Kulturschaffenden aufgezählt. Und sie erhielten aufgrund der durch die Pandemie sichtbarer gewordenen sozialen Missstände in der Kulturbranche breite Aufmerksamkeit.
Kaum Bewegung bei Löhnen
Eine weitere Erklärung liefern die Studien aus einer anderen Optik. So zeigt beispielsweise jene von Ecoplan zur Entwicklung der Einkommenssituation auf, dass die Anzahl von Fördergesuchen in den letzten zehn Jahren überproportional zur vorhandenen Fördersumme gewachsen ist. Demnach stehen heute pro geförderte Person weniger finanzielle Mittel zur Verfügung. Zudem bestehen kaum Subventionsvereinbarungen, die Automatismen wie etwa einen Teuerungsausgleich vorsehen. Auch zeigen die Ergebnisse aus der Datenanalyse, dass die Einkommen von Kulturschaffenden in den letzten zehn Jahren kaum gestiegen sind. Dies ist umso ernüchternder, wenn man bedenkt, dass ein Grossteil der Kulturschaffenden über ein hohes Ausbildungsniveau verfügt. Gemäss Erhebung verfügen zwei Drittel der im Kultursektor beschäftigten Personen über eine tertiäre Ausbildung, was auf weniger als die Hälfte der übrigen erwerbstätigen Bevölkerung zutrifft.
Handlungsempfehlungen sind vorhanden, aber…
Die Autor:innen führten im Rahmen ihrer Studien zahlreiche Interviews mit unterschiedlichen öffentlichen und privaten Kulturförderstellen durch. Dabei zeigte sich, dass die Mehrheit aller befragten Kulturförder:innen sich der in den Studien aufgezeigten Problematiken bewusst sind. Dennoch verändert sich an der fragilen Situation bis heute kaum etwas. Gründe dafür gibt es wohl mehrere. Zum einen ist es so, dass die Kontrollen einer angemessenen Entlöhnung, wenn überhaupt, eher oberflächlich und nicht systematisch stattfinden. Oder um es noch klarer auszudrücken: Es gibt keine Mechanismen und keine anerkannte Praxis, die ein Monitoring oder ein Controlling bei der Kulturförderung – sei diese privat oder öffentlich – überhaupt erlauben würden. Trotzdem könnte bereits ein systematisches Reporting zur Einhaltung von Richtlinien auf Seiten von Kulturinstitutionen wie auch bei der Finanzierung von Kulturprojekten durch die öffentliche Hand zu Verbesserungen beitragen. Doch die subsidiäre Förderung legt hier bereits Stolpersteine in den Weg. Da die Förderung normalerweise aus mehreren Gefässen geschieht, wird die Intransparenz bei der Umsetzung von Honorarempfehlungen erhöht und verwischt somit die Verantwortlichkeiten der unterschiedlichen Förderstellen. Allein dieser Fall zeigt, dass – solange die faire Entschädigung von Kulturschaffenden nicht als Teil eines gesetzlichen Auftrags genannt wird – tatsächliche Verbesserungen und gut gemeinte Empfehlungen wohl kaum Besserung versprechen.
Was bleibt uns kurz- bis mittelfristig?
Die Erkenntnisse und Resultate der Studien zeigen eines mit aller Deutlichkeit: Die Kulturbranche lebt von schwierigen Einkommenssituationen und mangelnder sozialer Absicherung. Dies, obwohl Kultur tagtäglich ein Publikum von tausenden begeistert, mitreisst oder zum Nachdenken anregt. Vielen Besucher:innen von Kulturveranstaltungen dürfte das Prekariat hinter dem dünnen Vorhang verborgen bleiben. Umso wichtiger ist es deshalb, kurz- und mittelfristig breite Kreise des kulturinteressierten Publikums für diese Thematik zu sensibilisieren. Denn wer will schon eine Veranstaltung besuchen im Wissen darum, dass die Schauspieler:innen trotz mehrjähriger Ausbildung knapp über der Armutsgrenze leben und fürs Alter kaum vorsorgen können? Für die Verbände heisst das umgekehrt also, für gute Arbeits- und Rahmenbedingungen einzustehen. Die Aufgabe besteht aber auch darin, der Öffentlichkeit klarzumachen, dass Kultur ein Beruf ist und sich die Entlohnung letztlich an diesem Stellenwert zu messen hat.