BVG-Abstimmung

Gianluca Pardini | Geschäftsleitung IG Kultur Luzern & Etrit Hasler | Geschäftsführer Suisseculture Sociale

Zahlenchaos, widersprüchliche Aussagen, Intransparenz und eine grundsätzliche Komplexität des Versicherungsthemas verwirren bei der BVG-Abstimmung. Die wichtigsten Fragen und Antworten aus Sicht der Kulturschaffenden.

Am 22. September entscheidet die Schweiz über die Reform der beruflichen Vorsorge. Wie bei allen Abstimmungen ist die Unsicherheit in der Bevölkerung gross.  Abstimmungsvorlagen zur Altersvorsorge haben in der politischen Kultur der Schweiz einen schweren Stand. Seit der Einführung des Gesetzes der beruflichen Vorsorge im Jahr 1985 erfolgte lediglich eine Revision. Daraufhin scheiterten mehrere Reformversuche an der Urne. Ein historischer Coup wurde im März 2024 mit dem Ja zur 13. AHV-Rente erzielt.

Was ist der zentrale Punkt der BVG-Reform?

Im Kern sieht die Reform eine Senkung des Umwandlungssatzes vor, was primär zu einer Kürzung der Renten führt. Ursprünglich wurde die Massnahme damit begründet, dass die aktuellen Renten aus Sicht der Versicherer nicht mehr finanzierbar seien. Mittlerweile zeigt sich jedoch, dass die Pensionskassen in der Zeit seit Beginn der Reform finanzielle Reserven angesammelt haben. Und zwar in einem Ausmass, dass die Pensionskassenaufsicht diverse Kassen auffordern musste, ihre Reserven abzubauen, sprich: das angehäufte Geld an die Versicherten weiterzugeben.

Gibt es auch positive Aspekte?

Die Vorlage enthält durchaus ein paar begrüssenswerte Verbesserungen, die aber leider nicht wirklich ins Gewicht fallen. So soll neu der versicherte Lohn erhöht werden, was dazu führen soll, dass Wenigverdiener mehr Beiträge einbezahlen können, um ihre Rente im Alter aufzubessern. Bei einer gleichzeitigen Senkung des Umwandlungssatzes führt das allerdings zu unzumutbar hohen Beiträgen, für gleichviel oder weniger Rente.

Was bedeutet die Vorlage fĂĽr die Kulturschaffenden?

Die grösste Schwierigkeit für Kulturschaffende mit der beruflichen Vorsorge war bisher, dass in diesem Bereich atypische Berufsbilder sehr viel häufiger vorkommen als im Vergleich zur Gesamtwirtschaft. Das bestätigt ein Bericht des Bundesrats zur sozialen Sicherheit von Kulturschaffenden im Jahr 2023. Kulturschaffende im Arbeitnehmer:innenstatus arbeiten überdurchschnittlich oft Teilzeit. Befristete Anstellungen sind ebenfalls deutlich häufiger, und der Anteil an Selbstständigen sowie Mehrfachbeschäftigten liegt deutlich über dem Durchschnitt. Auch das durchschnittliche Einkommensniveau von Kulturschaffenden liegt im Vergleich merklich tiefer. Diese Ausgangslage führt in der Altersvorsorge zu einer geringeren sozialen Absicherung. Für diese Personen bringt die aktuelle Reform wenig bis nichts- für die meisten Kulturschaffenden bleibt nach wie vor nur die Möglichkeit, sich über ihre Berufsverbände den freiwilligen Pensionskassen anzuschliessen – diese funktionieren durchaus, sind aber nicht von der aktuellen Reform betroffen.

Hört im Parlament niemand die Anliegen der Kulturschaffenden?

Die Verbreitung der atypischen Arbeitsverhältnisse ist längst nicht mehr nur ein Problem der Kulturschaffenden. Umso störender ist es, dass das Thema der Mehfachbeschäftigungen und die negativen Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge mit der BVG-Reform nicht adressiert werden. Was die allgemeine Rentensituation betrifft, so zeichnet sich eigentlich ebenfalls ein einheitliches Bild. Vor Kurzem hat das Vermögenszentrum VZ sein aktuelles Pensionierungsbarometer veröffentlicht – mit vernichtenden Zahlen: Die Renten sind seit 2002 um 39% geschrumpft. Das verfassungsmässige Leistungsziel wird bereits deutlich unterschritten. Angesichts einer weiteren Senkung steht die Revision quer in der Landschaft, wenn man bedenkt, dass die Pensionskassen zurzeit im Geld schwimmen.

Was ist das Fazit?

Die Reform der beruflichen Vorsorge berücksichtigt die speziellen Anforderungen von atypischen Arbeitsverhältnissen nicht im Geringsten, und dies, obwohl längst nicht nur Kulturschaffende davon betroffen sind. Eine Annahme der BVG-Revision würde die Altersvorsorge kaum verbessern, während die zusätzliche finanzielle Belastung während des Erwerbslebens keine nennenswerten Vorteile bringt.

Anmerkung: Der Artikel erschien am 29. August 2024 im Ensemble-Magazin